Goldbrünnele und Venedigermännle
Auf der Raazalpe im Rotlechtal ist eine Quelle, aus der zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt pures Gold fließt und wer diesen Augenblick wüsste, wäre mit einem Schlag reich. Oft kamen dorthin Venedigermännlein und holten von dem Gold, denn diese wussten genau die Stelle und den rechten Augenblick. So traf es einmal zu, dass zu dieser bestimmten Zeit eine Magd von der Sennhütte zum Brünnlein kam, um Wasser zu holen. Da sah sie aus gehöriger Entfernung, wie sich ein kleines Männlein mit breitkrempigem Hut an der Quelle emsig zu schaffen machte; der kaum tischhohe Knirps schöpfte mit einem kleinen Gefäß aus dem Brunnen. Die Sennerin fürchtete sich vor dem sonderbaren Fremdling und getraute sich nicht weiter.
Da sie aber nicht ohne Wasser in die Hütte zurückkommen durfte, fasste sie sich ein Herz und ging näher hin. Das Männlein erschrak nicht, war auch nicht böse, redete sie freundlich an und fragte sie sogar, ob sie nicht auch etwas von dem möchte, was er gerade herausgeschöpft habe. Das bejahte die Dirn sogleich, musste sie doch dringend Wasser heimbringen. Da gab ihr der Venediger zu ihrem Erstaunen einen Brocken. Ohne Widerrede kehrte sie zur Hütte zurück. Es fand sich, dass der Klumpen reinstes Gold war und die Magd musste nun alles erzählen.

Der Bauer fuhr sie in seiner Unzufriedenheit wild an und schrie zornig: „Du dummes Ding! Warum hast du dir nicht mehr davon geben lassen? Gleich gehst du hinaus und holst mehr!“ So schnell das Mädchen auch wieder zum Brünnlein lief, das Männchen war verschwunden. Das Wässerchen sprudelte wie immer und nirgends war mehr eine Spur von Gold zu sehen.